Tiroler Landestheater Innsbruck - Première 9. März 2002
Endstation Sehnsucht von Tennessee Williams
"Endstation Sehnsucht" ist eine Demonstration von Kranken für Kranke, deren Krankheit auch darin besteht, nicht richtig zwischen gesund und krank unterscheiden zu können. Semantisch und formal aber strotzt dieses Werk, das zu den besten Theaterstücken des Jahrhunderts gezählt wird, vor Gesundheit. Das läßt hoffen. >  
 
Autor/Komponist: T. Williams - Regie: Klaus Rohrmoser
Besetzung: Charlotte Ullrich, Judith Keller, Matthias Christian Rehrl, (Bilder);
Walter Sachers, Agathe Taffertshofer, Reinhard Forcher, Stefan Riedl, Francesco Cirolini, Josef Holzknecht, Doris Plörer
TELETICKET Info:"Das individuelle Leben ist eine kapitalistische Miniaturkrise, ein Desaster, das deinen Namen trägt." Das Stück, uraufgeführt 1947, ist ein früher uramerikanischer Beleg für diese Diagnose Brian Massumis. Es stellt die Frage, wieviel Lüge und Selbsttäuschung nötig sind, um dieses Desaster zu ertragen. Verwahrlosung und Lebensgier, Paranoia und Depression liefern die Koordinaten. In einem solchen System gibt es keine Sicherheit und keine Erfüllung. Haltbar ist nur die Sehnsucht - und die Liebe, sofern sie unglücklich bleibt. Niemand kommt da lebend raus.
Das gilt für Blanche Dubois, die traumatisierte Lehrerin, die in eine Traumwelt flüchtet, weil sie die Realität nicht ertragen kann, genauso wie für das "Tier" Stanley Kowalski, der sich buchstäblich durchschlägt, und ihre Schwester Stella, die sich in ihrer sklavischen Abhängigkeit zu Stanley eingerichtet hat, und auch für Mitch, Stanleys schüchtern unbeholfenes alter ego. "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs", Männer kurz vor der Bewußtlosigkeit.
Williams Figuren sind individuell gezeichnete Prototypen des kleinbürgerlichen Krisenzusammen-hangs zwischen Enteignungsangst und Größenwahn. Über ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung hat es nichts von seiner zeitdiagnostischen Kraft verloren. Der Filmregisseur Pedro Almodovar benutzt das Stück in seinem neuesten Film "Alles über meine Mutter". Es dient ihm als Folie und Paradigma zugleich. Alle Figuren des Films lieben dieses Stück und finden sich in ihm wieder. So wie diese Filmhelden das Stück im Theater erleben, könnten die Kowalskis auf der Bühne Almodovars Film heute im Wohnzimmer im Fernsehen sehen.