Tiroler Tageszeitung - Tiroler Landestheater Innsbruck:
Premiere 25. 03. 07 - Nora bricht aus dem goldenen Käfig aus
Nora bricht aus dem goldenen Käfig aus - Regisseur Christian Himmelbauer rückt in Henrick Ibsen Stück "Nora oder Ein Puppenhaus" eine kleine, mürbe Welt aus dem Schein des Heilen.
Judith Keller (Nora) und Klaus Rohrmoser (Torvald).
Als Kraftakt beschreibt Himmelbauer die Probearbeiten an Henrik Ibsens "Nora", Schwerstarbeit mit dem Ziel, alles freizuschaufeln, was da in zunehmender Tiefe an psychologisch Gewichtigem verborgen ist. Als analytisch angelegtes Schauspiel ist Ibesens Tragödie eine Schatztruhe, gefüllt mit dem Facettenreichtum menschlicher Antriebskräfte.

2007 Tiroler Landestheater Innsbruck
Judith Keller als Nora - Fotos
: Larl.

Denn aus Nora, vielfach als reines Emanzipationsstück verstanden, liest Himmelbauer weit mehr als die Frage nach dem Rollenbild der Frau im 19. Jahrhundert: Mich interessieren die Schicksale aller 5 Figuren gleichermassen. Jede hätte ihr eigenes Stück verdient.

Die Figuren des Norwegers Ibsen sieht Christian Himmelbauer mit einer üppigen Vielfalt psychologischer Schattierungen ausgestattet. Diese erlauben dem Zuschauer das Verfolgen eines tiefgehendes Spiels über die Funktionsweise von Beziehungen, über das Verstecken hinter Masken und Lebenslügen.
Am meisten wieg für Himmelbauer aber die auftuende Frage zu Noras alles verändernder Entscheidung: Was passiert, wenn ein Mensch gezwungen ist, einen Schritt zurückzutreten und sich die Draufsicht auf sein eigenes Leben gestattet? Noras Welt ist ein überschaubarerer Reich, kuschelig wie ein Puppenheim. Zwei quitschvergnügte Kinder leben arin, herzige Puppenkinder, Spielkameraden der Mutter gleich.Der soziale Status erlaubt die Beschäftigung eines Au-Pair-Mädchens.
Und dann ist da Torvald Helmer. Noras Ehemann, der Advokat, ist das unverückbare, ihre Bahnen bestimmende Zentralgestirn ihres Lebens. Er achtet auf die Gesundheit ihrer Zähne, er mahnt zur Sparsamkeit uner er geniesst seinen Status in Beziehung und Familie, wenn Nora mit Kätzchenschnurren um sein Wohlwollen schmeichlt. Nora tanzt und gurrt für ihn, erwachsene Ernsthaftigkeit findet in ihrem Puppenhaus nur hinter Helmers geschlossenen Bürotüren statt.
Nun erwartet der Advokat seinen beruflichen Zenit. Der Posten des Direktor der Aktienbank verspricht der Familie einen gesicherten Wohlstand sowie Zugang zur erlitären Gesellschaftsschicht: Torvald Helmer steht vor dem Karrrieresprung seines Lebens.

Durchaus zäürtlich ist das Ehepaar Helmer einander zugetan. Weihnachtsfreude liegt in der Luft. Nora plappert und schmeichelt und bettelt wie ein Kind. Torvald geniesst seine Puppe, seine Lerche, sein Eichhörchnchen. Mit väterlicher Milde verfolgt er Noras Launen und Capricen und vergibt keine Gelegenheit, mit Verweisen auf ihre kindliche Naivität und mutmassliche Lebensuntüchtigkeit die Machverhältnisse in seiner Ehe zu zementieren: Mein Schmetterlin ist ein allerliebstes Geschöpf, aber er braucht eine Menge Geld. Es ist kaum zu glauben, wie teuer einen Mann solch Schmetterling kommt. Doch Nora verbirgt ein Geheimnis, von dem Torvald nichts weiss.
Mitten in die Weihnachtsseeligkeit bricht ein Erpessungsversuch, der ihre übrgerliche Welt zu vernichten droht. Als Torvalds Bekenntnis zu Nora gefreagt ist, zeigt sich der Gatte mehr der juidischen Rechtsmässigkeit und gesellschaften Moral verpflichtet, als der Liebe zu seiner Frau.

Judith Keller spielt die Nora, eine Frau, deren bisheriges Leben an gutgemeinten Lügen zerbricht. Denn Nora, aus der Sicht der anderen ein naives Geschäpf, kämpft in ihrer doppelten Welt wie eine Löwin.

Ibsen zeigt, wie Menschen aneinander vorbeileben, ihr Verhalten in ständiger existentieller Bedrohung, ihren Kampf um das Empoklettern auf der Erfolgsleiter und wie sie daran zerbrechen können, so Judith Keller. Nora stellt schliesslich alles in Frage, auch ihr Muttersein.
Judith Keller zur Seite steht im Leben sowie auf der Bühne Klaus Rohrmoser.
Als Ehepaar das Paar Nor und Torvald Helmer zu spielen birgt für Schauspieldirektor des TLT die besondere Chance, die Darstellung der Figuren und Ihres Beziehungsgeflechts mit Eelementen aus der eigenen Erfahrung zu bereichern.
Und er erzählt vom Ehrgeiz der Warhhaftigkeit, der sich in der speziellen Konstellation besonders bemerkbar macht.

Der anhaltende Erfolg von Ibeens Nora liegt üfr Rohrmoser in der Komplexität jenes Moments, in dem Menschen erkennen, dass ihre eigenen Bedürfnisse im Widerspruch zu dem stehen, was das Leben oder die Gesellschaft bereit ist, ihnen zu geben.

Nettes Detail am Rande: Das Familientreffen auf der Bühne erweitern Julian und Nino Rohrmoser. Mit zwei sich abwechselnden KinderdarstellerInnen (Laura Kronenberg und Norina Posch) ist jeweils einer der Rohrmoser-Keller-Söhnen als Hemer-Nachwuchs zu sehen.

von Brigita Juen 22.03. 2007