Tiroler Landestheater Innsbruck: Judith Keller als Mutter Courage in Bertold Brechts
Mutter Courage und ihre Kinder - Premiere 24. April 2010 Regie Klaus Rohrmoser

Der Standard KulturBühne NEU IM THEATER Krisenstimmung und Wirtschaftswunder 26. April 2010, 16:59
"Mutter Courage und ihre Kinder" am Tiroler Landestheater Innsbruck
Frustriert schienen einige Besucherinnen und Besucher beim Verlassen der Premiere von Mutter Courage und ihre Kinder am Tiroler Landestheater Innsbruck zu sein. Stur war der Charakter der Hauptfigur und trostlos der Ausgang des Stücks. Mühsam waren auch der Denkprozess und bitter die Lehren, ganz so wie Bertolt Brecht es beabsichtigt hatte. Mutter Courage beklagt die Opfer, die der Krieg fordert. Sie wird fuchsteufelswild, wenn er kommt, ihre Kinder zu holen. Doch auf ihre Emotion folgt prompt die kühle Kalkulation, ist sie doch Geschäftsfrau.
Die fahrende Händlerin mit Haaren auf den Zähnen gibt Judith Keller fulminant und verleiht ihrer Figur glaubhaft die notwendige Schläue und Respektlosigkeit, dazu betont sie ihren Galgenhumor. Krieg und Kapitalismus - sie gehören in dieser Welt, scheint's, untrennbar zusammen, erkennt Courage. Sie verkennt jedoch, dass sie deshalb noch lange keinen Profit, keinen persönlichen Gewinn erzielen wird. Lange verhandelt sie daher, auch als es um das Leben ihres Sohnes Schweizerkas (ein gehorsamer Edwin Hochmuth) geht, und gewinnt zu spät diese Einsicht. Sein Tod, jener ihrer Tochter (eine sich aufopfernde Elli Wissmüller) und ihres zweiten Sohnes (ein todkühner Michel Heil) sind bereits besiegelt. Nichts hilft mehr.
Die Inszenierung Klaus Rohrmosers verweist vermittels einer Schar von Einkaufswagen auf das Auf und Ab des merkantilen Rades. Auch eine Ruine als Kulisse für die Aufführung illustriert schlüssig die ruinösen Zustände einer vom Krieg arg gezeichneten Gesellschaft. Die Musik Paul Dessaus und die großteils von Mutter Courage vorgetragenen Lieder irritieren wie vom Schöpfer einst intendiert.Eine so sehenswerte wie lehrreiche Enttäuschung ist also programmiert.
(it, DER STANDARD/Printausgabe,27.04.2010)

Innsbruck 25.4.2010 Tiroler Tageszeitung Hyäne des SchlachtfeldesVon Alexandra Plank

Judith Keller begeisterte am Samstag als Mutter Courage im Großen Haus.

Innsbruck – Mit „Mutter Courage und ihre Kinder“ hat Bertolt Brecht ein Lehrstück geschrieben, ein Lehrstück für das Publikum, in dem die Protagonistin unbelehrbar bleibt. Der Autor drückte seine Selbstbeschränkung mit folgenden Worten aus: „Solange die Masse das Objekt der Politik ist, kann sie, was mit ihr geschieht, ... nur als ein Schicksal ansehen: Sie lernt so wenig aus der Katastrophe wie das Versuchskarnickel über Biologie lernt. Dem Stückeschreiber obliegt es nicht, die Courage am Ende sehend zu machen ... ihm kommt es darauf an, dass das Publikum sieht.“
Star des Abends ist zweifellos Judith Keller. Sie verkörpert die Courage, die der Krieg hart und derb gemacht hat, mit Bravour. Auch die zugkräftigen Lieder vermag sie überzeugend darzubringen. Michel Heil wirkt als Eilif etwas blass, Edwin Hochmuth verkörpert den gewissenhaften, aber dummen Schweizerkas überzeugend. Elli Wissmüller macht die stumme Rolle der Kattrin zu einer sprechenden. Aus der starken Ensembleleistung stechen Ulrike Lasta (Yvette Pottier) und Burkhard Wolf (Feldprediger) heraus. Die Musiker unter der Leitung von Stephan Costa vermitteln mit der Musik von Paul Dessau die Schrecken und Wirren des Krieges. Das Publikum spendete anhaltenden Applaus.

Tiroler Tageszeitung 5.10.09