Tiroler Landestheater Innsbruck: Judith Keller als Mutter in Wedekinds Frühlingserwachen
Premiere 16. Januar 2010 Regie: Markus Völkenklee

Von Sabine Strobl Innsbruck 17.1.2010 Aufwachsen wie Unkraut - Das Drama des Erwachsenwerdens. Markus Völlenklees Inszenierung von Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ rundet den Schwerpunkt Jugend im Tiroler Landestheater mehr als ab.

Nach einem hölzernen Start entwickelt sich Frank Wedekinds Drama „Frühlings Erwachen“ zu einem gelungenen Theaterereignis. Regisseur Markus Völlenklee wusste am Samstagabend mit einer geradlinigen Inszenierung das Premierenpublikum im Großen Haus zu fesseln. Drei stark agierende, junge Gastschauspieler und die rund 50 Schülerinnen und Schüler zweier Innsbrucker Gymnasien brachten zudem frischen Wind ins Landestheater. Noch halb dem Spiel verhaftet dringen die Jugendlichen in das Territorium der lockenden Erwachsenenwelt ein. Erste eigene Meinungen, peinliches Geschwätz, Versagensängste, Auflehnung, Übermut und Schwermut und Angst vor der aufkeimenden Sexualität beutelt die Jugendlichen. Diese Lebensphase hat Frank Wedekind 1891 zu einem psychologisch feinfühligen Stück gebündelt, das nicht an Aktualität eingebüßt hat. Seine expressiven Szenen und episodenhaften Dialoge kommen dem heutigen Lebensgefühl durchaus entgegen. Es kommt nicht darauf an, dass junge Menschen heute selbstironisch von Hormonen reden und den Rest am Handy ausmachen. Diese Prämisse steht auch vor der Produktion des Landestheaters. Auf aktualisierendes Beiwerk hat Völlenklee (viel in München tätig und seit heuer Obmann der Tiroler Volksschauspiele in Telfs) verzichtet. Die Protagonisten treten in bürgerlichen Kostümen mit dem Flair von anno dazumal auf (Andrea Kuprian). Nur die Wiese mit einem knospenden Baum, die Wedekind noch auf seinem Buchdeckel haben wollte, ist durch eine schwarz-weiße, vertikal bespielbare Bühnenkonstruktion ersetzt worden (Karl-Heinz Steck). Über Stockwerke verteilt, die mittels Treppe, Leitern und Haken erreichbar sind, lassen sich die Szenen rasch überblenden. Trotzdem wirkt der beturnbare Bau wie ein matt neutrales Beiwerk in dieser Produktion.

An drei jungen Menschen wird das Drama des Erwachsenwerdens verdeutlicht: Melchior (Oliver Schulz, erstammt aus Braunschweig und hat gerade in Hamburg seine Schauspielausbildung abgeschlossen), Moritz (Torsten Hermentin, der gebürtige Steirer war zuletzt in Salzburg engagiert) und Wendla (Ulrike Schlegel, Max Reinhardt-Absolventin, die auch bei ORF-Produktionen gedreht hat). Die drei Gastschauspieler würde man gerne wieder in Innsbruck sehen. Stellvertretend für das stimmig eingesetzte Ensemble sind Judith Keller und Ulrike Lasta genannt, die in konträre Mutterrollen geschlüpft sind. Melchior und Moritz sind Freunde. Letzterer fühlt sich als schulischer Versager und begeht Selbstmord. Der talentierte Melchior schwängert Wendla. Sie wird nicht mehr wie die Freundin davon träumen, ihre Kinder wie Unkraut aufwachsen zu lassen. Alt opfert Jung. Nicht umsonst hat Frank Wedekind sein erstes großes Drama auch eine Kindertragödie genannt. Er hat eindeutig Position für die Jugend bezogen. Erwachsene, ob liberal, bigott oder nur borniert, bekommen das Fett ab. Nach der Pause besticht etwa eine originell verpackte Groteske, in der die Lehrerschaft in großkopferten Masken den Schüler Melchior vom Gymnasium werfen. Auch das Thema Selbstmord wird ohne Pathos, dafür mit Humor ausgearbeitet. Im rasanten Wortspiel duelliert sich da der Lebenswille mit dem Todeswunsch.

Dolomiten 20.1.10 Helga Reichart, auszugsw.: Irrungen und Wirrungen im Pubertätsnotstand, Judith Keller ist die tiefbesorgete Mutter, kümmert sich darum, dass ihre unschuldige Kleine entsprechend behandelt wird.